Schwerin – Mehrere Naturschutzverbände hatten sich unlängst kritisch zum Zaun geäußert, den das Land Mecklenburg-Vorpommern zum Schutz gegen den Eintrag der Afrikanischen Schweinepest (ASP) an der Grenze zum Nachbarland Polen errichten ließ. Diese Kritik nahm der Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt, Dr. Till Backhaus, zum Anlass, zu einem runden Tisch einzuladen. An diesem nahmen heute Vertreter von WWF, Deutsche Wildtierstiftung, NABU, Deutsche Umwelthilfe und des Projektes LosBonasus-Crossing teil. Minister Backhaus bewertet das Gespräch positiv.
„Allen Beteiligten ist klar, dass ein 65 Kilometer langer Zaun einen Eingriff in die Natur bedeutet, auf den man lieber verzichten möchte. Leider blieb uns aber keine Wahl, auf ein anderes Instrument zurückzugreifen, um die ASP möglichst aus unserem Land fernzuhalten. Das EU-Tiergesundheitsrecht verpflichtet uns, die Ausbreitung der Seuche zu bekämpfen.
Das Stellen von Wildzäunen hat sich in anderen Mitgliedstaaten bewährt und wird deshalb von den EU-Experten als Seuchenbekämpfungsmaßnahme empfohlen. Wir haben uns frühzeitig der Aufgabe gestellt, die Grenze zwischen Polen und MV möglichst unpassierbar für Wildschweine zu machen, denn in Polen grassiert das Virus bereits seit mehreren Jahren. Für Menschen ist die Seuche zwar ungefährlich, aber für Wildschweine und Hausschweine verläuft sie in den meisten Fällen tödlich.
Dabei erfahren wildlebende Schweine großes Leid, wenn sie erkranken. Ihr Todeskampf kann sich bis zu einer Woche lang hinziehen, begleitet von hohem Fieber, Atembeschwerden und Apathie. Der Zaun hat also die Aufgabe, unsere Schwarzwild- und Hausschweinbestände vor dieser Krankheit zu schützen. Gleichzeitig bedeutet die ASP aber auch ein großes wirtschaftliches Risiko für die schweinehaltenden Betriebe im Land. Die bisher in Deutschland verzeichneten Ausbrüche der Krankheit haben unter anderem durch Handelsbeschränkungen einen Schaden von mehr als zwei Milliarden Euro verursacht.
In Brandenburg, wo die Seuche zuerst aufgetreten ist, wurden bis zum 23.05.2022 2.545 Fälle von ASP festgestellt, in Sachsen 1.323. Bei uns kommen wir bisher auf 30 Fälle, was wir vor allem im Zusammenhang mit unseren frühzeitigen Maßnahmen zur Prävention, also vor allem auch dem Zaunbau, sehen. Brandenburg hat zur Bekämpfung des aktiven Seuchengeschehens bisher 60 Mio. Euro ausgegeben und wird bis zum Ende des Jahres voraussichtlich 100 Mio. Euro ausgegeben haben. In Sachsen wird mit 40 Mio. Euro gerechnet. In MV sind dagegen mit 15 Mio. Euro bisher geringere Kosten aufgelaufen.
Gleichwohl haben wir uns den Bau des Zaunes nicht leichtgemacht. In Absprache mit der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Vorpommern-Greifswald wurde alles getan, um die Lebensräume anderer wildlebender Tierarten so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. So wurden in regelmäßigen Abständen Durchlässe für Kleinsäuger eingebaut und in Abstimmung mit den Jagdausübungsberechtigten vor Ort Übersprünge für Rot- und Damwild mit einer Oberhöhe von ca. 1 m in den Zaun eingebaut.
Insgesamt sind folgende Sonderbauwerke in dem ASP-Grenzzaun auf gesamter Länge eingebaut worden: 40 Übersprünge für Rot- und Damwild, 414 Durchlässe für Kleinsäuger, insb. Otter, Biber, Fuchs, Dachs, Marder, Marderhund, Waschbär, 101 Weidetore, 11 Gattertore, 5 Fußgängertore (Usedom), 1 Holztunnel für Biber auf Usedom.
Auch der Zaun um den Truppenübungsplatz Jägerbrück wurde so mit Querungshilfen für Wildtiere ausgestattet, dass Fischotter, Biber und Wölfe ihn passieren können. Bei der Auswahl und Installation der Querungshilfen kamen uns auch die bereits bestehenden Erfahrungen aus Brandenburg und Sachsen zugute.
Da die Zäune entlang von vorhandenen Straßen und Wegen verlaufen und umfassende vorsorgliche Maßnahmen getroffen worden sind, gehen wir davon aus, dass FFH-Lebensraumtypen nicht betroffen sind. Wichtig zu wissen ist, dass der Zaunbau aufgrund privatrechtlicher Verträge mit den Grundeigentümern erfolgte. Weil es von polnischer Seite her keine Anstrengungen gab, die Seuche von der Grenze fernzuhalten, musste gehandelt werden. Da es sich um eine zeitlich begrenzte Maßnahme handelt – der Zaun soll höchstens fünf Jahre stehen bleiben-, ist eine Baugenehmigung nicht nötig.
Regelmäßige Kontrollen (160 Kontrollgänge seit Baubeginn) entlang des Zaunes dienen der Ermittlung von Schäden oder Störungen. Dabei wurden in den zurückliegenden 18 Monaten zwei verendete Stücken Rotwild und zwei verendete Stücken Rehwild aufgefunden.
Diese Verluste sind sicher tragisch, doch sie stehen in keinem Verhältnis zu dem tausendfachen Tierleid, dass ein flächendeckender Ausbruch der ASP mit sich gebracht hätte. Dass in MV jedes Jahr zwischen 15.000 und 20.000 Wildtiere bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen, zeigt, wie vergleichsweise gering die Verluste am ASP-Zaun sind.
Mit den Naturschutzverbänden verbindet uns dasselbe Ziel: Wir wollen unsere Wildtiere so wenig wie möglich in ihrem Lebensraum einschränken. Gleichzeitig müssen wir es der Tierseuche ASP so schwer wie möglich machen, sich in unserem Land auszubreiten. Weitere ASP-Ausbrüche würden nicht nur erhebliches Tierleid verursachen, sie würde auch Tierhalter und ihre Familien in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohen. Außerdem würden Bekämpfungsmaßnahmen bei Seuchenausbrüchen weitere Eingriffe in die Lebensräume zahlreicher Wildtiere bedeuten, da weder die Zeit noch das Geld vorhanden wäre, die Seuchenbarrieren derart umsichtig einzurichten wie das hier der Fall ist.
Abschließend möchte ich betonen, dass die Diskussion mit den Verbänden sehr sachlich ablief und wir daher auch weiter im Gespräch bleiben wollen. Außerdem haben wir angeboten, ein Mitglied der Verbände in unsere ständigen Arbeitsgruppen einzuladen. Die Dokumentation, wie die Tierschutzmaßnahmen entlang des ASP-Zaunes wirken, stellen wir den Verbänden ebenfalls gerne zur Verfügung“, so Minister Backhaus abschließend.