Keine Waffen für Extremisten

Christian Pegel: „Waffenbesitz muss Ausnahme und für Extremisten tabu sein“

Schwerin – Angesichts der Diskussionen der vergangenen Wochen nach dem Attentat auf eine Religionsstätte in Hamburg und der bundesweiten Debatte um Anpassungen des Waffenrechts fordert Innenminister Christian Pegel einen Blick des Bundesgesetzgebers vor allem auf den sogenannten Kleinen Waffenschein: „Für uns in Mecklenburg-Vorpommern ist klar: Der legale Besitz von Waffen muss die absolute Ausnahme sein – und für Extremisten tabu“, so Pegel.

Zum 1. März 2023 besaßen 13.514 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern einen Kleinen Waffenschein, der zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen berechtigt. 19.719 Personen besaßen insgesamt 86.635 Schusswaffen. Hinzu kommen 9.518 wesentliche, unverbaute Waffenteile im Privatbesitz, welche zusammengesetzt zu einer Waffe Geschosse verschießen können.

„Der größte Teil dieser Waffenbesitzer sind Sportschützen, Jäger oder Waffensammler, die Bedarf und Befähigung dafür nachgewiesen haben. Sorge macht unseren Sicherheits- und Ordnungsbehörden und mir, dass auch 48 Rechtsextremisten, 14 Reichsbürger und Selbstverwalter sowie ein Unterstützer einer ausländischen extremistischen Bestrebung den Kleinen Waffenschein haben und 51 Rechtsextremisten sowie 8 Reichsbürger und Selbstverwalter eine Waffenbesitzkarte. Auf diesen sind insgesamt 279 Schusswaffen bei Rechtsextremisten sowie 26 bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern eingetragen“, sagte Innenminister Christian Pegel heute in Schwerin.

Pegel: „Keine Waffen in Händen von Extremisten“

„Die Sorge rührt daher, dass bei Extremisten die Gefahr gewaltsamer Aktivitäten grundsätzlich sehr hoch ist. Deshalb ist jede Waffe in den Händen von Extremisten eine zu viel – und die Entwaffnung von Extremisten besonders wichtig“, führte Pegel weiter aus. Tatgelegenheiten würden reduziert, wenn man den potenziellen Gewalttätern den Zugang zu legalen Waffen nimmt.

„Unser Ziel, keine Waffen in den Händen von Extremisten,ist ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit der Bevölkerung und den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die Behörden in M-V arbeiten intensiv zusammen, um im Rahmen des rechtlich Möglichen den legalen Umgang mit Waffen und deren Besitz durch Extremisten zu verhindern“, sagte der Minister weiter. Dafür teile zum Beispiel der Verfassungsschutz seine Erkenntnisse den Waffenbehörden mit, die mit deren Hilfe und weiteren Hinweisen prüfen, ob die waffenrechtliche Erlaubnis mangels Zuverlässigkeit entzogen werden muss.

Entzogene Erlaubnisse bei Rechtsextremisten

Die Waffenbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte haben in den vergangenen fünf Jahren waffenrechtliche Erlaubnisse wie zum Beispiel Kleine Waffenscheine, Waffenbesitzkarten oder den EU-Feuerwaffenpass folgender Zahl von Personen rechtskräftig1 widerrufen, zu denen Erkenntnisse zu rechtsextremistischen Aktivitäten vorliegen:

2018               5
2019               3
2020               4
2021               10
2022               2

„2021 und 2022 haben die Behörden zudem je einem Rechtsextremisten die beantragte waffenrechtliche Erlaubnis versagt. Auch haben sie 2021 einer als Rechtsextremist eingestuften Person den Waffenbesitz auf Lebenszeit verboten, ohne dass diese eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt hatte. 2022 gab es fünf solcher Verbote“, so Pegel.

Entzug bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern

Weiterhin wurde folgender Anzahl von Extremisten, die Reichsbürgern und Selbstverwaltern zugeordnet werden, die waffenrechtliche Erlaubnis rechtskräftig1 entzogen:

2018               13
2019               6
2020               1
2021               2
2022               5

Einem Extremisten aus diesem Bereich wurde 2018 die beantragte waffenrechtliche Erlaubnis versagt.

Pegel: „Waffenbesitz muss eine Besonderheit sein“

Zur bundesweit geführten Diskussion um strengere Vorschriften sagt Christian Pegel: „Wir haben gute Gesetze. Aber noch besser geht immer. Waffen zu besitzen, sollte eine absolute Ausnahme sein. Ich würde mir hier eine Umkehr des Freiheitsblicks wünschen: Wir schützen die Freiheit und Sicherheit aller Menschen ohne Waffen und verlangen die uneingeschränkte und gesicherte Zuverlässigkeit als Voraussetzung für Waffenbesitz ­– noch mehr als dies schon jetzt der Fall ist.“ Konkret führt er an:

„Wir sehen bei uns im Land die Bemühungen der Sicherheits- und Ordnungsbehörden, Extremisten die Waffen abzunehmen, die diese legal besitzen, weil sie etwa Jäger oder Sportschützen sind. Ein Problem ist aber, dass im Rahmen der Einzelfallbetrachtung durch die Waffenbehörden die von den Sicherheitsbehörden übermittelten Erkenntnisse vor Gericht offengelegt und die Quelle dieser Informationen genannt und bewiesen werden müssen. Zum Teil stammen diese Informationen aus verdeckten Ermittlungsmaßnahmen der Polizei und der Nachrichtendienste, so dass die Quellen nicht vor Gericht ohne Gefahr für die künftige Ermittlungsarbeit und auch für die Auskunftspersonen der Polizei oder des Verfassungsschutzes offenbart werden können. Dann können auf diese Informationen gestützte Waffenentziehungen in einem gerichtlichen Verfahren gegebenenfalls nicht durchgesetzt werden.“

Mehr Waffenaufbewahrungskontrollen als 2021

Eine Aufgabe der kommunalen Waffenbehörden ist es, verdachtsunabhängig Waffenschränke zu kontrollieren und ihren Inhalt mit dem aktenkundigen Bestand abzugleichen. Wer in M-V eine Waffe besitzt, muss mindestens alle acht Jahre kontrolliert werden. 2022 wurden bei 4.921 Kontrollen 2.534 Personen überprüft ­– deutlich mehr als im Jahr zuvor (2.092 Personen bei 4.576 Kontrollen). Dabei wurden bei etwa jedem Vierten „waffenrechtlich bedeutsame Feststellungen“ gemacht. Christian Pegel konkretisiert:

„In den meisten Fällen wurden infolge der Kontrollen die Waffendaten im Nationalen Waffenregister korrigiert. Es wurden aber auch falsche Waffenschränke oder falsch gelagerte Munition festgestellt sowie Schusswaffen, die außerhalb des Waffenschranks aufbewahrt wurden. In zwei Fällen wurden gesundheitliche Einschränkungen festgestellt, so dass ärztliche Gutachten angefordert wurden. In neun Fällen folgte aufgrund waffenrechtlicher Verstöße ein Widerruf der Waffenerlaubnis. Bei 30 Kontrollen wurden Waffen oder Waffenteile sichergestellt, weil sie unsachgerecht umgebaut waren, rechtswidrig genutzt wurden oder die Person keine Genehmigung für deren Besitz besaß. Infolge der Aufbewahrungskontrollen wurden wegen Verstößen gegen die §§ 52 und 53 des Waffengesetzes zudem 25 Strafanzeigen und 91 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen gestellt.

Hintergrund

Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 des Waffengesetzes fehlt, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, das mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Schäden für hohe Rechtsgüter führt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen, diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren oder Personen überlassen werden, die zur Ausübung der Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

Mit dem „Dritten Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften“ hat der Bund 2020 die Waffenbehörden verpflichtet, vor Erteilen waffenrechtlicher Erlaubnisse sowie bei jeder Folgeprüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit bei Behörden wie dem Verfassungsschutz zu erfragen, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen – die so genannte Regelabfrage.

1Entscheidungen der Waffenbehörden werden im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens getroffen, das immer die vorherige Anhörung der Betroffenen sowie Widerspruchsmöglichkeiten vorsieht. Darüber hinaus können Betroffene getroffene Entscheidungen gerichtlich überprüfen lassen, was sie in der Regel auch tun. Waffenrechtliche Verfahren ziehen deshalb häufig langjährige Gerichtsverfahren nach sich. Die Richter stellen darin fest, ob genug Anhaltspunkte für ein Versagen oder den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis vorliegen. Der Rechtsprechung in der Vergangenheit nach genügt die alleinige Einstufung einer Person als Extremist durch den Verfassungsschutz nicht. Die Waffenbehörden prüfen deshalb, ob die Einstufung durch den Verfassungsschutz und die Informationen aus weiteren Quellen ausreichen, um eine waffenrechtliche Erlaubnis zu versagen oder zu widerrufen. Erst bei Rechtskraft kann sie eingezogen und die Abgabe der Waffen gefordert werden.