Schwerin – Der Sonderbeauftragte für den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern, Bernhard Witthaut, hat seine Untersuchungen abgeschlossen und heute in Schwerin sein Gutachten vorgestellt. Die wichtigsten Kernaussagen:
„Die 52 Handlungsempfehlungen, die eine Expertenkommission in der vorangegangenen Legislatur formuliert hatte, sind im Wesentlichen umgesetzt. Arbeitsabläufe sind vereinfacht und verschlankt worden, um die Fachreferate von administrativen Aufgaben zu entlasten. Die Zusammenarbeit von Informationsauswertung und Informationsbeschaffung wurde intensiviert“, zählte Bernhard Witthaut auf.
„Bei zügiger Besetzung der freien Stellen gut gerüstet“
Das Gutachten sollte auch die personelle Ausstattung der Behörde bewerten. Das Ergebnis: „Sind alle vorhandenen 128 Stellen im Verfassungsschutz M-V besetzt, sollte er das anfallende Arbeitsaufkommen bewältigen können. Die 23 aktuell offenen Stellen sollten zügig besetzt werden. Dafür hat das Ministerium im Juli Sorge getragen mit der Verfügung, dass die Verfassungsschutzabteilung selbst die anstehenden und bereits begonnenen Auswahlverfahren durchführt und abschließt.“
„Normale Nachbesetzungen frei werdender Stellen setzt üblicherweise die allgemeine Personalsachbearbeitung im Innenministerium um, die sich aber um alle Besetzungsverfahren im gesamten Ressort kümmern muss. Die mit dem Haushalt ermöglichten 23 neuen Stellenbesetzungen wird zur Entlastung des allgemeinen Personalbereiches die Verfassungsschutzabteilung selbst übernehmen, die dabei auch die Ziele einer fachlich breiteren Aufstellung des Personals im Verfassungsschutz selbst besser im Blick behalten und die inhaltlichen Ergänzungen der Kompetenzen des Landesverfassungsschutzes selbst besser konzeptionell umsetzen kann“, begründet Christian Pegel.
Auf gutem Wege sieht der Sonderbeauftragte die Behörde auch in Sachen Personal mit fachspezifischer Ausbildung: „Zurzeit absolvieren zwei Anwärter für den Verfassungsschutz M-V ihre Ausbildung beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Zwei weitere Anwärter sind für die Ausbildung 2025 bis 2027 vorgesehen. Auf eine kontinuierliche Erhöhung sollte fortlaufend geachtet werden. Darüber hinaus ist eine Aus- und Fortbildungskonzeption für alle Dienstposten in der Behörde in Planung.“
Auch bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden Verbesserungen vorgenommen. Der Prozess wurde einheitlich und verbindlich geregelt und wird durch ein digitales Mitarbeiterhandbuch unterstützt. Dies sei gerade angesichts des zeitnahen größeren Personalzuwachses durch die 23 neuen Stellen im Verfassungsschutz notwendig, um die Einarbeitung und Integration der erwartbar größeren Zahl neuer Mitarbeiter strukturiert sicherzustellen, so der Minister.
Eine weitere Aufgabe war zu prüfen, ob ein Ausbau der parlamentarischen Kontrollrechte und Transparenz erforderlich sei. Hier kommt Bernhard Witthaut, früher unter anderem Polizei- und Verfassungsschutzpräsident in Niedersachsen, zu dem Schluss:
„Umfassende Palette an Kontrollrechten“
„Die Palette an Kontrollrechten, die das Landesverfassungsschutzgesetz bereithält, ist umfassend. Es ermöglicht Unterlagen-, Akten- und Dateneinsicht genauso wie den Zutritt zur Verfassungsschutzbehörde, Auskunftsverlangen und Verlangen nach Stellungnahmen. Bei besonderem Aufklärungsbedarf kann die Parlamentarische Kontrollkommission Bedienstete und Auskunftspersonen befragen, sofern dem keine öffentlichen oder privaten Belange entgegenstehen. Sie kann den Landesdatenschutzbeauftragten beauftragen, die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen zu prüfen und im Einzelfall auch Sachverständige mit Untersuchungen beauftragen.“
Auch der bundesweite Abgleich mit anderen Gesetzen habe keine Lücke zu Tage gebracht, sagte Witthaut und folgerte, weitere Regelungen seien hier nicht erforderlich. Er schlug jedoch vor: „Mit der geplanten Novellierung des Landesverfassungsschutzgesetzes könnte darin ein
direktes Petitionsrecht von Verfassungsschutz-Mitarbeitern gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission aufgenommen werden, so dass sie sich in dienstlichen Angelegenheiten und ohne den Dienstweg einzuhalten an diese wenden können, wenn sie z.B. Fehlentwicklungen im Verfassungsschutz befürchten. Das ist auch heute schon rein theoretisch möglich. Analog zu anderen Bundesländern könnte M-V dieses Recht im Sinne von Rechtssicherheit für die Bediensteten im Gesetz normieren.“
Eine weitere Aufgabe des Sonderbeauftragten war es, die geltenden Dienstvorschriften, Richtlinien etc. für den Verfassungsschutz zu prüfen. „Es war vereinbart, dass während der Untersuchung festgestellte Probleme möglichst schnell, auch schon vor Fertigstellung dieses Gutachtens, behoben werden sollen. So sind zum Beispiel Dienstvorschriften optimiert und in Kraft gesetzt worden.“
Home-Office auch für Verfassungsschützer
Um die Arbeitszufriedenheit und somit ein gutes Betriebsklima zu fördern, haben seit Juni dieses Jahres auch die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes M-V die Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten. „Aufgrund ihres Arbeitsinhalts mit zumeist einer Geheimhaltungsstufe war dies deutlich schwieriger als in anderen Behörden, deren Arbeit mit Einbruch der Corona-Pandemie relativ zügig ins Home-Office verlegt werden konnte“, begründet der Minister, wieso dies hier länger gedauert habe. Umso zufriedener seien die Kollegen jetzt, dass auch sie dieses Angebot nutzen können.
Bereits im Koalitionsvertrag steht, dass die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden soll. Dies werde, so Bernhard Witthaut, bereits intensiviert. „So war der Verfassungsschutz zum Beispiel beim MV-Tag Anfang Juli dieses Jahres in Neubrandenburg mit einem eigenen Stand vertreten und konnte so vielen Neugierigen seine Arbeit erklären.“
„Ein Beitrag zur Transparenz der Arbeit des Verfassungsschutzes ist auch, dass wir dieses Gutachten veröffentlichen. Damit bewegen wir uns auf einem schmalen Grat. Wir sind aber überzeugt, dass hierdurch Geheimhaltungs- und Sicherheitsinteressen des Landes nicht beeinträchtigt werden“, fügte Christian Pegel hinzu.
„Das nun vorliegende Gutachten besagt, dass die Maßnahmen, die nach früheren Versäumnissen und Fehlentwicklungen ergriffen wurden, fruchten und unser Verfassungsschutz auf gutem Wege ist. Eine der wichtigsten Aussagen für mich ist, dass frühere Fehlentwicklungen zurückzuführen sind auf Fehlentscheidungen einzelner Personen, nicht auf strukturelle Fehler. Es gibt mehrere Schrauben, an denen wir noch justieren können – und dies auch tun“, fasste Christian Pegel sein Resümee aus dem Gutachten zusammen. Besonders gefreut haben ihn die Feststellungen des Sonderbeauftragten, dass die Verfassungsschutzabteilung unter dem jetzigen Leiter die Handlungsempfehlungen in den vergangenen zwei Jahren engagiert angegangen sei und diese umsetze.
„Wir haben die Fehlentwicklungen vor einigen Jahren sehr klar erkannt und hierauf engagiert reagiert – das alles neben dem normalen Dienstbetrieb, der weiterläuft, dafür bin ich den Kolleginnen und Kollegen im Verfassungsschutz sehr dankbar“, so Pegel. Das gelte auch für den aktuellen Prozess während der Arbeit des Sonderbeauftragten. „Schon während dessen Arbeit wurden aufgrund seiner Hinweise Dienstvorschriften umfangreich angepasst und aktualisiert, intensivere Abstimmungen zwischen verschiedenen Bereichen des Verfassungsschutzes umgesetzt und damit Prozesse effektiver und für alle zufriedenstellender gestaltet und die Führungskultur sowie die Fortbildungsplanung noch einmal optimiert“, verdeutlicht der Innenminister den erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand der Beschäftigten des Verfassungsschutzes in den vergangenen acht Monaten.
Sein Dank wie auch der des Sonderbeauftragten geht an die Mitarbeiter des Verfassungsschutz M-V: „Jede und jeder Einzelne von Ihnen hat bereitwillig alle Fragen, die für das Gutachten gestellt werden mussten, beantwortet und an vielen Stellen eigene Ideen für eine Optimierung eingebracht. Das verursacht neben der eigentlichen Arbeit natürlich zusätzlichen Aufwand – und das, nachdem Sie zuvor schon die Expertenkommission umfangreich bei ihrer Arbeit unterstützt haben. Dieses Engagement hat sich gelohnt und wird dazu beitragen, dass Ihre Arbeit, die unserer Verfassungsschützer, in vielerlei Hinsicht noch besser wird.“
Der Innenminister hat sich auch beim Sonderbeauftragten für seine Bereitschaft und sein besonderes Engagement bedankt. „Es ist für uns ein Geschenk, dass Sie nach Ihrem EIntritt in den Ruhestand als niedersächsischer Verfassungsschutzchef ihr Berufsleben noch einmal faktisch acht Monate verlängert haben und uns als Sonderbeauftragter zur Verfügung standen – dafür Ihnen und Ihrer Frau herzlichen Dank“, so Pegel. „Uns hat der gesamte Prozess spürbar vorangebracht und wir werden die Ergebnisse und Hinweise Ihres Gutachtens weiterhin zum zentralen Leitfaden der weiteren Entwicklung im Verfassungsschutz machen“, so der Minister.
Hintergrund
Im aktuellen Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Regierungsparteien sich für den Ausbau der parlamentarischen Kontrollrechte und – möglichkeiten gegenüber dem Verfassungsschutz aussprechen mit dem Ziel, im Ergebnis von ablauf -und aufbauorganisatorischen Analysen Reformschritte für mehr Transparenz in der Arbeit der Verfassungsschutzbehörde zu sorgen. Bereits in der 7. Legislaturperiode war eine Expertenkommission eingesetzt worden, die 52 Handlungsempfehlungen in fachlicher, rechtlicher und organisatorischer Hinsicht formuliert hatte. Diese Handlungsempfehlungen sollten mit dem Gutachten des Sonderbeauftragten auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
Anfang 2023 hat der Sonderbeauftragte eine Projektgruppe eingerichtet, in der alle Referate der Verfassungsschutzbehörde, die Gleichstellungsbeauftragte des Ressorts, der Personalrat und die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen vertreten waren. Sie haben gemeinsam den Umsetzungsstand der Handlungsempfehlungen der Expertenkommission analysiert und dazu Gespräche auch mit ehemaligen Mitarbeitern und Vertretern der im Landtag vertretenen Parteien geführt (die AFD hat als einzige Fraktion nicht auf die Einladung reagiert).