3. International Symposium on Handwriting Skills 2019 zu Ende gegangen
Berlin – Es ist mehr Förderung notwendig – entlang der gesamten Bildungskette von zu Hause, über Kita, Schule bis hin zur Ausbildung. Und: Die Digitalisierung wird das Handschreiben nicht verdrängen. Diese Ergebnisse brachte das „3. International Symposium on Handwriting Skills 2019“, das heute in Berlin zu Ende gegangen ist. In der Veranstaltung des Schreibmotorik Instituts und des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) unter der Schirmherrschaft der Kultusministerkonferenz (KMK) hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Vertreterinnen und Vertreter von Schulverwaltung und Schulpraxis aus fünf europäischen Staaten das Thema „Handschreiben als Startkapital für Bildung“ diskutiert.
Als Vertreterin der Kultusministerkonferenz (KMK) resümierte Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Bettina Martin: „Kinder müssen in der Schule eine eigene Handschrift lernen. Das ist auch im digitalen Zeitalter eine unverzichtbare Grundlage für die erfolgreiche Bildungslaufbahn eines jeden Kindes. Wer Mühe mit dem Schreiben hat, kann bei Diktaten und Aufsätzen nicht mithalten und handelt sich schnell Fehler ein. Kinder lernen sehr stark haptisch und müssen die Welt im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal ‚be-greifen´. Gut lesbar und flüssig mit der Hand schreiben zu können, bringt in unserer schriftgeprägten Kultur nicht nur viele praktische Vorteile mit sich. Dies ist auch eine wichtige Form des persönlichen Ausdrucks, die es zu bewahren und pflegen gilt.“
„Wir alle wissen, dass die Entwicklung des Handschreibens in den ersten beiden Grundschuljahren nicht zu Ende ist. In den verschiedenen Bildungsphasen – aber auch im Beruf selbst – profitieren wir von den einzigartigen Vorteilen des Handschreibens für die Merkfähigkeit, das inhaltliche Verständnis und die Kreativität. Selbst in hochmodernen Unternehmen werden Produkte der Zukunft mit handschriftlichen agilen Methoden und Konzepten entworfen und entwickelt. Die Basis dafür ist eine flüssige, leserliche und ermüdungsfreie Handschrift und eine gute Schreibmotorik“, so erklärte Dr. Marianela Diaz Meyer, Ergonomie-Expertin und Leiterin des Schreibmotorik Instituts, zur Begrüßung. „Dafür brauchen die Schülerinnen und Schüler dringend eine zielführende Unterstützung und eine Anpassung des Schreibunterrichts.“
Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigten die Referenten in ihren Vorträgen auf. Kerstin Detto und Melanie Hiergeist, Grundschullehrerinnen aus dem Regierungsbezirk Niederbayern berichteten von ihren Erfahrungen mit dem Erasmus+ Projekt „Handschrifterwerb-Tutorials“, bei dem das Handschreiben von Schülerinnen und Schüler aus der Grund- und der Mittelschule eine Stunde pro Woche gezielt gefördert wird. Ausgangspunkt: „Obwohl bei vielen Schülerinnen und Schülern massive Schreibschwierigkeiten festzustellen sind, Lehrkräfte sich nicht selten über unleserliche Schreibarbeiten beklagen und das Thema Handschreiben zudem fest im bayerischen LehrplanPLUS für die Grund- und Mittelschule als Lernziel verankert ist, findet ab der 3. Jahrgangsstufe in der Praxis nur wenig gezielter Unterricht zum Thema Schrift statt.“ Vorläufiges Ergebnis aus dem Projekt: Durch die Förderung kann die Schreibgeschwindigkeit der Schülerinnen und Schüler so verbessert werden, dass die aufgewendete Zeit zumindest teilweise in der Folge wieder eingespart wird.
Dass es in der Schule perspektivisch auf einen Mix aus analogen und digitalen Formaten ankommt, dies zeigten Sabine Wollscheid und vier Kolleginnen vom Nordic Institute for Studies in Innovation, Research and Education (NIFU) in Oslo, Norwegen, auf. Sie berichteten von der Unterrichtspraxis in norwegischen Schulen, in denen Lehrerinnen und Lehrer zwar digitale Medien intensiv nutzen – aber dabei häufig mit Blick auf Variation und Methodenvielfalt bewusst auf die Handschrift setzen.
Digitale Technik kann auch dabei helfen, sowohl die Handschrift wie auch die Rechtschreibung individuell zu fördern. Dies machte Susanne Grassmann deutlich, die bis Ende 2018 an der Pädagogischen Hochschule der FHNW in der Schweiz tätig war und unter anderem zum Schrift- und Bildungsspracherwerb forscht. „Lehrkräfte stehen vor der Herausforderung zu erkennen, wann sie mit dem Rechtschreibunterricht beginnen sollen. Digitale Stifte ermöglichen die gleichzeitige Aufzeichnung von Schreibprodukten und Schreibbewegungen. Wir schlagen darum vor, dass Analysen dieser Aufzeichnungen verwendet werden könnten, um Lehrkräfte dabei zu unterstützen, personalisierte Zeitabläufe für den Rechtschreibunterricht zu entwickeln“, erklärte sie.
„Visualisierung in digitalen Medien fängt mit Handschreiben an“, so war der Vortrag von Prof. Christian Barta, Professor für Multimedia und Kommunikation der Hochschule Ansbach, betitelt. „Zugegeben, es klingt wie ein Widerspruch, wie kann das Schreiben mit der Hand eine wichtige Grundlage für eine spätere Beschäftigung in und mit den digitalen Medien sein? Hält man denn nicht gerade die frühe Nutzung digitaler Eingabegeräte für Mitschuld an der schwindenden Fertigkeit im Handschreiben? Ja – und genau hier liegt das Problem“, so erklärte er. „Die Visualisierung mit digitalen Werkzeugen ist ein kreativer Prozess, aber vor der Umsetzung kommt der Entwurf und hier sind die digitalen Werkzeuge wie 3D Programme und Bildbearbeitung denkbar ungeeignet. Es sind Werkzeuge für eine perfekte und detailreiche, oft photorealistische Darstellung. Der Entwurf benötigt aber Raum für Phantasie und Interpretation, er stellt einen Prozess dar, der im Kopf beginnt und über die Hände auf das Medium kommt. Ob dieses Medium dann ein Blatt Papier oder ein Zeichentablet ist, ist nebensächlich – wichtig ist die Hand, die den Stift führt.“
Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE, erklärte: „Erst ist es das Halten von Gegenständen, dann die Nutzung von Stiften und schon bald beginnen Kinder, sich spielerisch an das Zeichnen von Formen zu wagen. Dies alles trägt dazu bei, eine gute Motorik auszuprägen, die maßgeblich ist für das Erlernen des Handschreibens. Es unterstützt nicht nur die Rechtschreibung, sondern auch das Lesen. Es fördert das Textverständnis und hilft dabei, Neues besser zu lernen. Damit steigert es letztlich die schulischen Leistungen insgesamt.“ Sein Fazit: „Das Handschreiben ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, es unterstützt Lernprozesse und bleibt auch in Zeiten der Digitalisierung wichtig.“
One comment
Bravo, ein sehr guter Text! Ich bin Violinlehrerin und beobachte seit 30 Jahren die zunehmende Verkümmerung der Feinmotorik! Es ist beängstigend! Auf die Handschrift muss wieder mehr Wert gelegt werden, sowie auch auf die Darstellung eines Textes auf einem Blatt Papier! Das trägt auch wesentlich bei zu einer guten Leserlichkeit eines Textes bei. Augenmass braucht es ebenso um einen Titel zu setzen , der deutlich vom Übrigen Schriftbild abhebt.