Schwerin – Allein in Deutschland werden laut Umweltbundesamt jährlich rund 30.000 Tonnen Humanarzneimittel verkauft. Von den in Deutschland ca. 2.300 für die Humanmedizin zugelassenen Wirkstoffen werden etwa 1.200 als umweltrelevant eingestuft. Auch in Gewässern in Mecklenburg-Vorpommern werden Arzneimittelrückstände nachgewiesen.
„Um den Eintrag von Arzneimittelwirkstoffen in die Umwelt zu minimieren, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes. Das Vorsorgeprinzip muss dabei großgeschrieben werden: Nur wenn mehr umweltfreundliche Arzneimittel auf den Markt kommen, der Medikamentenbedarf durch Gesundheitsförderung insgesamt gesenkt wird, die Arzneimittelentsorgung optimiert wird und damit insgesamt weniger Medikamente und deren Rückstände in die Umwelt gelangen, haben wir eine Chance das Problem der Gewässerverunreinigung anzugehen. Hier stehen wir noch am Anfang eines langen Weges.“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Dr. Till Backhaus heute auf der 11. Jahrestagung des Arbeitskreises „Umweltschutz im Krankenhaus“ der Krankenhausgesellschaft M-V.
Einige dieser Substanzen stammen aus Krankenhäuser und anderen medizinische Einrichtungen, so der Minister. Viele der Arzneimittelrückstände in den Gewässern gelangen aber aus Privathaushalten durch die unsachgemäße Entsorgung von ambulant verschriebenen Medikamenten in das Abwasser. Auch die Tiermedizin trage zu den Arzneimittelbefunden in der Umwelt bei.
Die heute in Kläranlagen üblicherweise eingesetzten biologischen Aufbereitungsverfahren könnten einige organische Spurenstoffe im Abwasser relativ gut entfernen, andere Substanzen hingegen, darunter auch Arzneimittel, würden allerdings nur ungenügend eliminiert, führte der Minister aus. „Gelangen diese Substanzen in den Wasserkreislauf, können sie sich schon in niedrigsten Konzentrationen auf Wasserorganismen auswirken“, sagte er weiter.
In Mecklenburg-Vorpommern messe das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) seit gut 10 Jahren an über 220 Messstellen die Konzentrationen von Arzneimitteln in Fließ- und Küstengewässern, aber auch im Grundwasser und im Ablauf ausgewählter Kläranlagen, informierte Backhaus. Untersucht wurden 47 Arzneimittel und vier Metaboliten. Davon wurden 39 in Fließgewässern und 20 in Küstengewässern nachgewiesen. Hohe Befundhäufigkeiten wurden für das Analgetikum Diclofenac, die Betablocker Metoprolol und Bisoprolol, die Antiepileptika Carbamazepin und Gabapentin, sowie das Diuretikum Hydrochlorothiazid festgestellt. Häufig konnten auch die Röntgenkontrastmittel Amidotrizoesäure und Iodamidol nachgewiesen werden.
Im Grundwasser seien nur an sehr wenigen der insgesamt rund 270 untersuchten Messstellen 5 Arzneimittelwirkstoffe und zwei Röntgenkontrastmittel in Konzentrationen über 0,1 µg/l nachgewiesen worden, sagte Backhaus. „Für das Trinkwasser ergeben sich aus diesen Messwerten nach heutigem Stand der Wissenschaft keine Gesundheitsgefahr“, betonte er.
Selbst in Küstengewässern komme es trotz der stärkeren Verdünnung zu Befunden: „Das zeigt, dass hier etwas passieren muss!“, machte Backhaus deutlich. Es gebe in Deutschland bereits mehrere wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte für die sogenannte 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen. Auch im Gesundheitswesen beschäftigen sich wissenschaftliche Forschungsvorhaben damit, den Eintrag von Arzneimittelwirkstoffen in die Umwelt zu ermitteln und zu reduzieren.
Das Bundesumweltministerium arbeitet derzeit an einer Strategie zum Umgang mit Spurenstoffen in Gewässern. Erste Maßnahmenvorschläge, auf die sich Unternehmen, Umweltverbände, Wasserwirtschaft, Länder und Kommunen verständigt haben, wurden im März 2019 vorgelegt. Diese sollen nun in einer einjährigen Pilotphase getestet und evaluiert werden.
Minister Backhaus kündigte an, dass das LUNG im Rahmen der Berichte zur Gewässergüte bis Ende des Jahres einen ausführlichen Bericht zu Arzneimitteln in den Fließ- und Küstengewässer Mecklenburg-Vorpommerns veröffentlichen werde.