Studie: Flughafen Rostock-Laage als Weltraumflughafen geeignet
Schwerin – In einer wissenschaftlichen Studie im Auftrag von Infrastruktur- und Bildungsministerium hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Eignung des Flughafens Rostock-Laage als „Spaceport“ untersucht und bewertet. Die Autoren stellten die Studie am Mittwoch im Energieausschuss des Landtags und anschließend bei der Landespressekonferenz in Schwerin vor.
„Der Flughafen hat die Grundvoraussetzungen für einen Weltraumflughafen, der als Startbasis für Trägerflugzeuge dienen kann, die Raketen oder Raumschiffe auf eine geeignete Höhe über der Ost- oder Nordsee bringen und von dort als fliegende Startrampe ihre Fracht per Luftstart – englisch Airlaunch – ins Weltall schießen. Ebenso können wiederverwendbare flugzeugartige Shuttles auf der Piste horizontal starten und landen. Wir empfehlen, den Flughafen für eine solche Nutzung auszubauen“, fasste Sven Kaltenhäuser vom DLR-Institut für Flugführung und Leiter der Studie deren Kern zusammen.
Weltraumflughäfen als Basis für solche Fluggeräte würde in der Zukunft eine größere wirtschaftliche Bedeutung zugemessen. Und die Einrichtung eines Spaceport allgemein habe sich als stimulierend für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region erwiesen.
Zu den Vorteilen des Flughafens Rostock-Laage führt Kaltenhäuser aus: „Er liegt in einer Wissenschafts- und High-Tech-Region und bietet infrastrukturelle Rahmenbedingungen, die eine Weiterentwicklung über einen Verkehrsflughafen hinaus ermöglichen, etwa zur Handhabung der Raumfahrzeugsysteme am Boden und den Umgang mit Treibstoffen. Er verfügt über erschlossene Flächen für einen Ausbau als Industrie- und Gewerbestandort für Luft- und Raumfahrtfirmen und hohe Sicherheitsstandards aufgrund der bereits vorhandenen militärisch-zivilen Nutzung. Darüber hinaus sind geeignete Lufträume vorhanden, in denen die Raumfahrzeugsysteme sicher fliegen können.“
Für die Umsetzung empfiehlt die Studie unter anderem, Start-Ups zur Bildung eines New-Space Clusters anzusiedeln, die Randbedingungen für den Betrieb von Raumfahrzeugsystemen mit den zivilen und militärischen Nutzern abzugleichen und besondere Anforderungen der Bundeswehr zu berücksichtigen sowie internationale Partnerschaften voranzutreiben und sich an entsprechenden Netzwerken zu beteiligen.
„Insbesondere raten wir zu einem Betriebsverbund mit weiteren Standorten, um die Leistungsfähigkeit eines solchen Weltraumbahnhofs zu steigern Besonders erfolgversprechend erscheint der Airlaunch von Kleinsatelliten in polare Umlaufbahnen. Dabei könnten die fliegenden Startplattformen von Rostock-Laage aus operieren und den Luftstart über der Nordsee durchführen. Solche Systeme könnten bereits zeitnah verfügbar sein“, so Kaltenhäuser.
„Die Landesregierung versteht die Ergebnisse der Studie als Ermutigung, die Überlegungen für eine Ergänzung der Nutzungsmöglichkeiten in Rostock-Laage um die Funktion eines Weltraumflughafen unter Beteiligung der Ressorts Energie, Bildung und Wirtschaft fortzuführen. Die Studie zeigt zugleich auf, dass und welcher bundesrechtlichen Rahmenbedingungen es noch bedarf, bevor Weltraumstarts von deutschem Boden denkbar werden. Wir werden uns für die Schaffung solcher gesicherter Rahmenbedingungen einsetzen“, sagte Ina-Maria Ulbrich, Staatssekretärin im Landesverkehrsministerium. Sie stellte aber klar: „Es geht nicht um ein deutsches Cape Canaveral, sondern primär um unbemannte kleine Raketen, die von sicheren Gebieten über dem Meer aus mit Satelliten ins All starten.“
„Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat kürzlich die Notwendigkeit eines Space Ports in Deutschland bekräftigt. Unser Standort in Rostock-Laage bietet alle Voraussetzungen für die Etablierung einer Basis für horizontale Starts und Landungen. Wir führen deshalb bereits Gespräche zu Kooperationen mit anderen Spaceports“, sagte Dörte Hausmann, Geschäftsführerin des Flughafens Rostock-Laage. Wichtig und zu begrüßen sei, dass der Bund seine Arbeiten zu einem nationalen Weltraumgesetz aufgenommen hat und den erforderlichen Rechtsrahmen schaffen will. „Von besonderer Bedeutung ist, dass die speziellen Anforderungen des Airlaunch und die internationale Nutzung durch weltweit agierende Unternehmen berücksichtigt werden, um ein marktgerechtes Angebot zu schaffen“, so die Flughafen-Chefin.
Abseits der traditionellen Raumfahrt entwickelt sich ein Markt für Satelliten- und Raketentechnik, insbesondere innovative Trägersysteme sowie Konstellationen auf Kleinsatellitenbasis, für deren Transport in den Weltraum flexibel und individuell verfügbare Start- und Landemöglichkeiten erforderlich sind. Der Flughafen Rostock-Laage könnte für dieses Geschäftsfeld ein Standort sein. Aus diesen Gründen und aufgrund der am Verkehrsflughafen in Rostock-Laage vorhandenen zivilmilitärischen Zusammenarbeit sowie der guten flugbetrieblichen Rahmenbedingungen und weiterer Standortvorteile haben die Koalitionspartner der Landesregierung beschlossen, den Standort Rostock-Laage als Luft- und Raumfahrtstandort weiter zu entwickeln (siehe Nummer 128 der Koalitionsvereinbarung 2016-2021).
Das Energieministerium hat mit dem Bildungsministerium im Frühsommer 2019 die Studie in Auftrag gegeben, mit der die Potenziale des Flughafens Rostock-Laage in dieser Hinsicht ermittelt werden sollen. Die Kosten für die Studie in Höhe von 80.000 Euro teilen sich Bildungs- und Infrastrukturministerium.
Mecklenburg-Vorpommern kann auf eine lange Luftfahrttradition zurückblicken. Beispielsweise ist der deutsche Luftfahrtpionier Otto Lilienthal ein Sohn des Landes und 1939 startete in Rostock der weltweit erste Flug eines düsengetriebenen Flugzeugs. Anknüpfend an diese Tradition hat sich das Land nach der Wende wieder zu einem attraktiven Standort für die Luft- und Raumfahrtbranche entwickelt.
Zurzeit sind im Land etwa 30 Unternehmen mit rund 800 Mitarbeitern in der Fertigung von Zulieferteilen und im ingenieurtechnischen Bereich, hauptsächlich für den Flugzeughersteller Airbus, tätig. Zu den Produkten gehören unter anderem die Beschichtung von Einzelteilen, Brandgassensoren, Spezialschläuche und Spezialvorrichtungen für die Montage bis hin zu speziellen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Ausgehend von der günstigen regionalen Lage zum Luftfahrtzentrum Hamburg und unterstützt durch gezielte Ansiedlungsbegleitung in Kontakt mit Airbus haben sich in den vergangenen Jahren mittelständische Zulieferer direkt oder als Tochterfirmen in Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt wie z.B. die Flamm Aerotec GmbH in Schwerin, die Amas Anlagenbau & Engineering GmbH aus Neu Kalliß und auch die RST Rostock System-Technik GmbH. Die Branche profitiert zudem von Kooperationen mit den maschinen- und ingenieurtechnischen Bereichen der Universität Rostock sowie der Hochschulen Wismar und Stralsund.
Die oben beispielhaft genannten Firmen haben sich mit aktuell 19 weiteren luftfahrtorientierten Entwicklungs-, Produktions- und Dienstleistungsunternehmen aus M-V zu einem Branchennetzwerk Luft- und Raumfahrt zusammengeschlossen. Dieses bündelt die unternehmerischen Aktivitäten, um regional und international den Anschluss an die europäischen Entwicklungen zu halten. Mit der Einbindung der Unternehmen in den größten deutschen Verband von klein- und mittelständischen Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie „Hanse-Aerospace“ hat das Netzwerk einen international renommierten Partner, von dem die Unternehmen aus dem Nordosten in dieser komplexen Branche profitieren.“
Das DLR ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Seine umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie, Verkehr, Sicherheit und Digitalisierung sind in nationale und internationale Kooperationen eingebunden. Über die eigene Forschung hinaus ist das im DLR angesiedelte Raumfahrtmanagement im Auftrag der Bundesregierung für die Planung und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig.
In Mecklenburg-Vorpommern betreibt das DLR seit 1992 am Standort Neustrelitz Spitzenforschung in den Bereichen Satellitenempfang, Fernerkundung, Kommunikation und Navigation sowie Solarterrestrische Physik und Weltraumwetter; es baut den eigenen Standort seit Jahren auf der Basis eines langfristigen Masterplans kontinuierlich aus.