Schwerin – Der Abbau und die Nutzung von Torf verursachen beträchtliche Treibhausgasemissionen aufgrund der damit verbundenen Freisetzung des in ihm enthaltenen Kohlenstoffs. Während die Verwendung von Torf als Brennstoff oder zur Dämmung von Häusern in Deutschland bereits seit Jahrzehnten Geschichte ist, gibt es Branchen, in denen sich die Suche nach Alternativen als deutlich schwieriger erweist. So gilt Torf bis heute als ideale Grundlage für Substrate und Anzuchterden im professionellen Gartenbau. Die hohe Verfügbarkeit, eine gleichbleibend homogene Qualität, Schaderreger- und Schadstofffreiheit sowie günstige chemische und physikalische Eigenschaften galten bisher als für mögliche Alternativen unerreichbar.
Um für die verschiedenen Sparten des Gartenbaus praktikable Lösungen zu erarbeiten, wurde im November 2021 das durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) geförderte Verbundprojekt „ToPGa“ (Entwicklung und Bewertung von torfreduzierten Produktionssystemen im Gartenbau) ins Leben gerufen. Der Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt, Dr. Till Backhaus, begrüßt das Vorhaben und möchte gartenbauliche Betriebe unterstützen: „Ich bin der festen Überzeugung, dass auf dem Weg zur Klimaneutralität Torfabbau und auch Torfimporte keinen Platz mehr in unseren Anbauverfahren haben werden. Wir werden alles daransetzen, die Entwicklung von Torfalternativen und angepassten Produktionssystemen durch die Forschung zu unterstützen, um die gartenbaulichen Betriebe in unserem Land schnellstmöglich mit Lösungen zu versorgen.“
Koordiniert durch das Julius Kühn-Institut, arbeiten Einrichtungen aus den Fachbereichen Bodenkunde, Mikrobiologie, Mykologie, Entomologie sowie Zierpflanzenbau, Obstbau, Baumschule, Gemüsebau und Betriebswirtschaft gemeinsam an Alternativen. Ziel der Forschenden ist eine systematische Untersuchung und Bewertung von bekannten und neuen Torfersatzstoffen und deren Mischungen. Dabei wird einerseits eine Reduktion des Torfanteils in Kultursubstraten von mindestens 50 % angestrebt. Andererseits werden neue, weniger substratbedürftige Produktionssysteme für den Beerenobst- und den Freilandgemüsebau erprobt. Durch eine integrierte betriebswirtschaftlich-ökobilanzielle Analyse werden typische Produktionssysteme der einzelnen Gartenbausparten mit deutlich torfreduzierten Systemen anhand ihrer Deckungsbeiträge sowie ihres ökologischen Fußabdrucks verglichen und bewertet.
Dazu Minister Dr. Backhaus: „Ich sehe hier Chancen für Mecklenburg-Vorpommern. Die Forschung an Torfalternativen hat für mich eine hohe Priorität auf dem Weg zur Klimaneutralität. Insbesondere bei den Erzeugnissen von unseren wiedervernässten Niedermoorstandorten wie Rohrkolben oder Schilf sehe ich sogar neue Wertschöpfungsketten mit doppeltem Potenzial für Umwelt- und Klimaschutz: Zum einen Bewirtschaftungsperspektive für Niedermoore und gleichzeitig Quelle von Torfersatzstoffen für gartenbauliche Substrate. Win-Win für regionale Landwirtschaft!“
Am Gartenbaukompetenzzentrum der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA) liegt der Arbeitsschwerpunkt auf der Reduzierung des Torfeinsatzes beim Presstopfverfahren, welches im nordeuropäischen Gemüsebau zur Jungpflanzenanzucht weit verbreitet ist. Im Vergleich zu Topfsubstraten, wie sie für den Zierpflanzenanbau verwendet werden, gilt die Absenkung des Torfanteils beim Presstopfverfahren als besonders schwierig. „Durch die zusätzlichen Anforderungen an Pressbarkeit, Wasserspeicherkapazität, Formstabilität und Maschinenfähigkeit bei Produktion und Pflanzung sind die Torfersatzstoffanteile bei Erdpresstöpfen noch vergleichsweise niedrig und liegen zumeist erst im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Als Alternative zum Erdpresstopf rücken daher verstärkt auch Tray-Systeme in den Fokus, welche einen Teil dieser erweiterten Substratanforderungen nicht stellen“, führt der Leiter des Gartenbaukompetenzzentrums Dr. Kai-Uwe Katroschan aus.
Zur Projekthalbzeit kommt das knapp dreißigköpfige Projektkonsortium vom 29. bis 30. März 2023 an der LFA in Gülzow-Prüzen zusammen, um neue Ergebnisse auszutauschen und die nächsten Schritte zu planen.